Mit Fehlern und Misserfolgen richtig umgehen

Misserfolge meistern

Selbstwertfördernd unterstützen, wenn einmal etwas daneben geht...

"Ich kann das nicht!" ruft Markus bei den Mathehausaufgaben. Kein gutes Zureden hilft mehr - Markus sitzt mit verschränkten Armen da und weigert sich weiter zu machen. Am nächsten Tag in der Schule schreibt er eine Matheprobe. Das Ergebnis scheint die Eltern nicht zu erstaunen. Der Junge selbst sagt resigniert: "Da seht ihrs... Ich kann's eben nicht!" 

Celine hat auch eine schlechte Note in der Matheprobe geschrieben. Sie findet, dass es die Schuld der Lehrerin ist: "Noch blöder hätte sie die Fragen ja nicht stellen können!" Zuhause erzählt sie, die Lehrerin könne den Stoff nicht richtig erklären und ihre Prüfungen seien viel zu schwierig. Sie berichtet: "Auch der Markus hat eine schlechte Note!" 

Marie erging es ähnlich in der Prüfung. Auch sie hat viele Fehler gemacht und eine schlechte Note bekommen. Doch sie reagiert ganz anders. Nach der Mathestunde geht sie zur Lehrerin und fragt sie nach dem richtigen Lösungsweg. Da sie es immer noch nicht ganz verstanden hat, versucht sie die Aufgaben zu Hause noch einmal in Ruhe anzuschauen. Sie fragt sich: "Woran hat es gelegen? Welche Regeln habe ich mir falsch eingeprägt?" Am Abend bittet sie ihren Vater um Hilfe: "Kannst du es mir noch mal erklären? Damit ich es das nächste Mal dann kann!" 

Was unterschiedet die drei Kinder? Vielleicht bringen sie unterschiedliche Voraussetzungen mit, sind nicht gleichermassen begabt und doch fällt auf, dass alle drei Mühe in Mathe haben. Aber jeder geht anders damit um. Markus führt seinen Misserfolg auf sein Unvermögen zurück; er ist überzeugt, dass seine schlechte Note kein Zufall war - nein, er kann Mathe eben nicht und er scheint auch keine Hoffnung zu haben, es jemals lernen zu können. Demzufolge wird er es vermutlich gar nicht mehr versuchen - der nächste Misserfolg ist vorprogrammiert. Auch bei Celine ist fraglich, ob die nächste Matheprobe besser ausfällt. Nicht jedoch, weil sie ihre Fähigkeiten anzweifelt, sondern weil sie den Fehler bei anderen oder den schwierigen Umständen sucht. Vermutlich hat sie die Erklärungen der Lehrerin tatsächlich nicht verstanden und die Prüfung deshalb als schwierig empfunden. Das scheint sie so hinzunehmen, ohne sich dabei zu fragen, ob sie ihre Mathenote nicht dennoch beeinflussen kann. Sie wird wahrschienlich auch bei der nächsten Prüfungsvorbereitung passiv bleiben. Wir müssen jedoch auch sehen, dass ein solcher Umgang mit Misserfolgen auch eine gute Seite hat: Celine bekommt bestimmt keine Selbstzweifel. Das kennen sicher die meisten von uns. An einem wichtigen Tag ist etwas schief gelaufen und wir sind der Meinug, es sei die Schuld des Kollegen gewesen, wir sagen uns, dass wir uns sowieso nicht ganz fit gefühlt haben, oder vielleicht war es auch einfach das schlechte Wetter. Wir finden Gründe, die die Niederlage entschuldigen, und fühlen uns dadurch wieder etwas besser. Es kann also für den Moment eine ganz hilfreiche Strategie sein - auf Dauer kann ein solcher Umgang mit Misserfolg aber auch ein Gefühl der Hilflosigkeit hervorrufen, schließlich bedeutet es auch, der Willkür anderer ausgeliefert zu sein. Wichtig wäre deshalb, dass sich Kinder wie Celine auch überlegen, was sie trotz der Umstände tun können, um das nächste Mal besser abzuschneiden.

Zurückblickend auf meine Studienzeit könnte ich viele Beispiele nennen, die uns an die Strategie von Celine erinnern. Dabei haben wir es manchmal sogar noch weiter getrieben. Nicht alle, die sich vor einer Prüfung unsicher fühlten, wollten es dem Professor überlassen, schwierige Aufgaben zu stellen - nein, man kann beispielsweise am Abend vor der Prüfung in den Ausgang gehen, die Nacht durchlernen oder alle Freundinnen anrufen bis sich eine findet, die unbedingt ein Problem besprechen will. Sicherlich muss man sich hier eingestehen, nicht die beste Prüfungsvorbereitung geleistet zu haben, aber immerhin wird man nicht die eigene Intelligenz in Frage stellen müssen - schliessich hat man zu spät angefangen, war zu müde oder hat sonst eine Erklärung parat. Wir würden uns also wahrscheinlich besser fühlen als jemand, der das Gefühl hat, versagt zu haben, wie der Markus in unserem Beispiel. 

Fragen wir uns nun, was Kinder wie Marie anders machen. Als erstes fällt auf, dass sie sich für ihr Prüfungsresultat verantwortlich fühlt, jedoch deshalb nicht ganz allgemein ihre Fähigkeiten in Frage stellt. Wir können davon ausgehen, dass Marie nicht durchgehend schlecht im Rechnen war - wäre dies der Fall, dann würde es selbst uns Erwachsenen schwer fallen, einen konstruktiven Umgang damit zu finden. Aber sicherlich hat ihre Strategie, mit Misserfolgen umzugehen, einen Beitrag dazu geleistet, dass sie auch Erfolge erleben durfte.

Schauen wir einmal näher hin: Welche Strategien sind hilfreich, um konstruktiv mit Fehlern und Misserfolgen umzugehen?

  • Fehler und Niederlagen werden nicht als generelles Versagen betrachtet, sondern als Möglichkeit, aus ihnen zu lernen.
  • Es wird versucht, die Gründe für den Fehler herauszufinden: Wurde eine Regel nicht richtig verstanden? Wurde eine Grundfertigkeit vielleicht noch nicht oft genug geübt? War es vielleicht ein Flüchtigkeitsfehler? War es die Angst zu versagen? 
  • Bei der "Ursachenforschung" verurteilt man sich nicht selbst, man versucht sich selbst zu verzeihen und zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.
  • Wenn neue Ziele verfolgt werden, wird der Misserfolg berücksicht und das nächste Ziel realistischer gesteckt.
  • Wenn man sich verbessert hat, wird das als Erfolg bewertet - das muss nicht heissen, dass man gleich von einem zum anderen Mal bessere Noten hat - Geduld ist gefragt!
  • Man schafft es, andere um Unterstützung zu bitten, wenn man alleine nicht weiter kommt.

Nun fragen Sie sich vielleicht, was wir als Eltern und Pädagogen tun können, damit unsere Kinder zu einem positiven Umgang mit Fehlern und Niederlagen gelangen. Erst einmal erinnern wir uns daran, dass Kinder von uns lernen. Sie schauen sich nicht nur von uns ab, wie wir sprechen oder uns in der Gesellschaft verhalten, sondern auch wie wir mit uns selbst umgehen, wenn wir einen Fehler gemacht haben. Verurteilen wir uns? Versuchen wir so schnell wie möglich das Thema zu wechseln? Oder andere dafür veranwortlich zu machen? Es ist auch für uns oft nicht leicht, einen konstruktiven Umgang mit Fehlern zu finden. Wenn wir nun versuchen, auch mit uns selbst ein wenig nachsichtiger zu werden, dem Fehler aber dennoch auf den Zahn zu fühlen, anstatt ihm aus dem Weg zu gehen und ihn nicht vor anderen zu verbergen, dann werden sich unsere Kinder wahrscheinlich ein Vorbild an uns nehmen. Zudem lernen sie direkt über unsere Kommentare bei den Hausaufgaben, beim Lernen zu Hause oder im Klassenzimmer. Rückmeldungen, die ein Kind ermutigen können, mit Fehlern und Misserfolgen positiv umzugehen, sind zum Beispiel:

  • Dieses Mal bist du enttäuscht, das versteh' ich... Sollen wir uns heute Abend einmal anschauen, woran es gelegen hat? 
  • Magst du mir mal laut vorsagen, was du gerade gedacht hast? - Genau, und jetzt schau noch mal in dein Heft... Das hast du aber gut bemerkt! Sollen wir die Regel noch mal hier auf ein kleines Plakat schreiben? Das nächste Mal weisst du es bestimmt!
  • Du glaubst jetzt, du kannst gar nichts - das ist so frustierend, stimmt's. Aber schau Mal, das letzte mal haben wir die Gross- und Kleinschreibung geübt, und da hast du schon viel weniger Fehler!
  • Ja, du hast Recht, das war wirklich keine leichte Prüfung! Wollen wir trotzdem mal überlegen, wie du auf die richtige Lösung gekommen wärst? Dann geht es das nächste Mal bestimmt schon leichter.
  • Du ärgerst dich jedes Mal, wenn ich dich verbessere. Hast du vielleicht eine Idee, was ich anders machen könnte? 
    Wenn keine Antwort kommt, kann etwas vorgeschlagen werden, wie zum Beispiel: Soll ich vielleicht nur einen Finger heben und dann kannst du selber noch mal versuchen, das Wort zu lesen? 

Wenn ein Kind viele Misserfolgserlebnisse in der Schule hat, ist es wichtig, sich mit dem Kind an kleinen Fortschritten zu freuen und möglichst auch ausserhalb der Schule Situationen zu schaffen, in denen das Kind Erfolgserlebnisse hat. Welche Interessen und Stärken hat das Kind? Welche Hobbies und Unternehmungen können sein Selbstwertgefühl stärken? Und gerade bei diesen Kindern sind wir gefragt! Indem wir ihnen immer wieder ihre Erfolge - wo und wie klein sie auch immer sein mögen - zurückmelden und sie immer wieder aufs Neue ermutigen.

Und was ist passiert, wenn wir mit unseren gut gemeinten Worten auf Widerstand stoßen? Die Antwort können wir uns selbst geben, indem wir uns fragen, wann wir eine Aufmunterung nicht gut annehmen können. Oft sind es jene Momente, wenn die Ermutigung zu früh kommt - wir sind vielleicht noch mit der Trauer beschäftigt und fühlen uns nicht richtig verstanden, wenn unser Gegenüber schon im nächsten Augenblick sagt "Das wird schon wieder!". Hier lohnt es sich also, noch einmal einen Schritt zurück zu gehen und erstmal anzuerkennen, dass sich das Kind vielleicht wirklich in diesem Moment gerade unfähig und wertlos fühlt. Wenn wir auch vieles auffangen, so könnn wir dem Kind dennoch nicht alles ersparen. 

Es wird helfen, in Niederlagen und Fehlern nicht das Ende der Welt zu sehen - James Joyce wagte sogar das Gegenteil darin zu sehen:
"Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckungen". Was auch immer sie von diesen Extremen denken mögen, ich wünsche Ihnen und den Kindern in ihrem Leben einen positiven und selbstwertschützenden Umgang mit Misserfolgen und Fehlern.

Akademie für Lerncoaching
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