Sprachcamps: Interview mit Philipp Weber und Nora Völker

Die beiden Sprachcamp-Anbieter Philipp Weber (www.frilingue.ch / www.fri-lolo-sprachcamps.ch) und Nora Völker (www.english-camp.ch) stehen Fabian Grolimund in diesem Interview Rede und Antwort zum Thema Sprachcamp...

Wie kam es zur Idee, ein Sprachcamp anzubieten?

Philipp Weber: Ich selbst war eher mathematisch begabt und hatte Mühe mit den Sprachen. Ich habe daher als Schüler immer wieder Sprachcamps besucht: In Australien, Tasmanien, Cannes und Hyères. Mir hat es sehr entsprochen, auf diese Art eine Sprache zu lernen – im direkten Kontakt mit anderen Menschen. Später arbeitete ich als Begleitperson in einem Camp und bald darauf entstand der Wunsch, selbst solche Camps anzubieten.

Nora Völker: Als ich noch in die Schule ging, hatte ich es mit Fremdsprachen nicht so am Hut. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in Fribourg studiere, mein bisschen Französisch also tatsächlich gebrauchen werde und sich mein Privatleben später einmal auf Englisch abspielen wird. Ich durfte erleben, wie sich mir mit immer besseren Sprachkenntnissen ein neue Welt eröffnete.

Mit diesen eigenen Erfahrungen im Gepäck bekam ich während meines Studiums im Sommer 2009 die Möglichkeit im Sprachcamp Frilingue als Deutschlehrerin zu arbeiten. Ein Jahr später leitete ich für Frilingue ein Camp in Cudrefin. Damals schon war mein Partner, Samuel Munro, Englischlehrer im Camp. Sam ist Australier und bringt viel Erfahrung im Leiten von Jugendcamps mit. Die Arbeit dort hat uns sehr viel Spass gemacht!

Die Idee ein „reines“ Englisch-Sprachcamp anzubieten entstand in den Jahren danach. Bereits während meines Psychologiestudiums beschäftigte ich mich im Rahmen von unserem Projekt „Mit Kindern lernen“ intensiv mit dem Thema Lernen. Vor 2,5 Jahren begann ich Kindern mit Lernschwächen und AD(H)S zu begleiten und Sam machte in der Zwischenzeit während seinem Studium eine Ausbildung zum Englischlehrer und so rückte die Idee immer näher.

Was ist besondere an dieser Art, eine Sprache zu lernen?

Philipp Weber: Sprachen zu lernen ist eine Knochenarbeit: Man muss viel auswendig lernen, Wörter und Grammatik büffeln. Im Sprachcamp wird man mit den verschiedensten Arten des Sprachen-lernens konfrontiert. Man hört die Sprache, man liest und kommt in der kleinen Gruppe oft zum sprechen - man kann richtig eintauchen in die Sprache, weil man sich 4 Stunden pro Tag intensiv damit befasst.

Nora Völker: In einem Sprachcamp können Kinder und Jugendliche eine ähnlich bedeutsame Erfahrung machen, wie ich sie erst nach meiner Schulzeit gemacht habe. Sie erfahren, wie es Spass machen kann eine neue Sprache zu lernen und wie dies ihren Horizont erweitern kann.

In einem Sprachcamp findet Lernen nicht nur über Bücher und Vokabelpauken statt, sondern vor allem auch über Kommunikation. Die Kinder und Jugendlichen schnappen so einiges „ganz nebenbei“ auf und auch das Lernen im Unterricht ist natürlich anders als in der Schule. Durch die kleinen Gruppen können die Lehrer individuell auf jeden Teilnehmer eingehen und den Stoff spielerisch vermitteln.

In unserem Sprachcamp wollen wir einen kleinen „Mikrokosmos“ schaffen, der es Kindern und Jugendlichen ermöglicht einen englischen Sprachaufenthalt „vor der Haustür“ zu erleben.

Lernen während der Ferien? Wie siehst du das? Wie sehen das die Jugendlichen?

Philipp Weber: Die Jugendlichen sind zunächst oft nicht begeistert – viele haben auch ein wenig Angst, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Am ersten Tag sind alle ein wenig nervös. Aber bereits am zweiten Tag steigt das Stimmungsbarometer. Die meisten kommen mit gemischten Gefühlen, manchen stinkt es richtig – und sie gehen mit einem sehr schönen Erlebnis nach Hause, weil sie viele sympathische Leute kennengelernt haben, viel erlebt und dabei sogar noch etwas gelernt haben.

Nora Völker: Von den Ferien erwarten wir, dass wir uns erholen und etwas Anderes erleben können. Lernen steht dazu nicht im Widerspruch. Im Camp lernen die Kinder und Jugendlichen anders und anderes. Sie machen neue soziale Erfahrungen, lernen spielerisch eine neue Sprache und verbringen eine abwechslungsreiche, spannende Zeit. Ferien zu haben heisst nicht, dass man sein Gehirn sechs Wochen lang ausschalten muss.

Viele Jugendliche haben natürlich zunächst Bedenken und kommen mit gemischten oder sogar negativen Gefühlen ins Camp. Wir haben aber auch viele Eltern, die uns schreiben wie sehr sich ihre Kinder schon jetzt auf das Sprachcamp freuen. Es liegt in unserer Verantwortung, die Kinder und Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen und dafür zu sorgen, dass jede/r eine schöne und lehrreiche Zeit erlebt.

Was unterscheidet euer Angebot von Nachhilfe?

Philipp Weber: Bei uns steht das Camperlebnis im Vordergrund. Für viele Jugendliche ist es das erste Mal, dass sie sich in einem neuen Umfeld mit lauter neuen Menschen befinden. Es ist ein positives und prägendes Erlebnis, sich in dieser Situation behaupten zu können. Oft erhalten wir die Rückmeldung von Eltern, dass ihr Kind während dem zweiwöchigen Camp bedeutend reifer geworden ist.

Nora Völker: Nachhilfe ist darauf ausgerichtet einen Schüler besser auf die nächste Prüfung vorzubereiten. Im Camp hingegen verfolgen wir das Ziel, das Lernen mit positiven Erlebnissen zu verknüpfen. Es geht weniger um das nächste Prüfungsergebnis als vielmehr um einen anderen Zugang zum Lernen selbst. Während sich die Nachhilfe gelohnt hat, wenn der Schüler im nächsten Test gut abschneidet, sind wir zufrieden, wenn die Kinder nach Hause gehen und ihr Interesse für die englische Sprache geweckt ist.

Wie sieht ein typischer Camp-Tag aus?

Philipp Weber: Um 8 Uhr stehen wir auf, um 8.30 Uhr essen wir Frühstück. Um 9 Uhr beginnt der Unterricht in Kleingruppen bis 12.30 Uhr. Nach dem Mittagessen gibt es entweder einen Intensivkurs, Workshops oder einen Ausflug. Um 18.30 Uhr gibt es Abendessen, gefolgt vom Abendprogramm mit zum Beispiel Lagerfeuer, Fussballturnier, Disco oder Karaoke. Für die unter 13 jährigen ist um 22 Uhr Schluss, die älteren dürfen bis 23 Uhr aufbleiben.

Nora Völker: Nach dem Frühstück stehen drei Stunden Unterricht (mit Pausen) auf dem Programm. Dann folgt nach dem Mittagessen das Nachmittagsprogramm mit Ausflügen oder Workshops. Nach dem Abendessen ist immer etwas anderes los. An einem Abend schauen wir einen englischen Film im Burghof, an einem anderen machen wir einen Spieleabend, singen am Lagerfeuer oder haben eine „Bowling-Night“ in Basel. An den Samstagen machen wir Ausflüge in den Hochseilgarten oder zur Sommerrodelbahn. Wer zwei Wochen bleibt, den erwartet am Sonntag ein besonderer Ausflug! Es geht in den Europapark.
Natürlich kann es aufgrund des Wetters zu Planänderungen kommen.

Was ist euer Motto? Was wollt ihr den Jugendlichen mitgeben?

Philipp Weber: Unser Motto ist: Freude lehrt Sprachen. Es geht darum, eine positive Erfahrung mit der Sprache zu machen. Natürlich geht es auch darum, sich sprachlich etwas zu verbessern – das Wichtigste ist für uns jedoch, dass die Jugendlichen Freude an der Sprache bekommen und motiviert sind, weiter zu lernen. Viele Jugendliche sind in diesem Alter orientierungslos. Unsere Leiter sind meist Studierende und vom Alter her näher bei den Jugendlichen als Eltern oder Lehrer. Sie haben daher einen sehr direkten Zugang. Die Jugendlichen fühlen sich ihnen nah, nehmen sie aber auch ernst und sehen in ihnen oft auch ein Vorbild. Jugendliche, die in diesen schwierigen Phase alles negativ sehen, sprechen oft  gut auf unsere jungen Leiter an, welche versuchen, sie auch die positiven Seiten des Lebens sehen zu lassen.

Nora Völker: Am meisten trifft es das Motto: "Mit einer neuen Sprache eine neue Welt entdecken". Dass hier Neugier, Spass und Staunen mit im Spiel sind, liegt auf der Hand.

Was wir den Kindern und Jugendlichen mitgeben wollen, hängt also davon ab, wie es um ihre Lernmotivation steht. Bei einem Kind das Mühe beim Sprachenlernen hat, haben wir andere Ziele, als bei einem Jugendlichen, der jedes Wort aufsaugt. Für den einen wollen wir ein paar Erfolgserlebnisse, die vielleicht der Anfang eines „Motivationskreislaufs“ sein mögen. Der andere wird im Camp seinen Wissensdurst stillen und sich die Neugierde zugleich erhalten können. Zu guter Letzt werden wir alles tun, um jedem eine schöne Erinnerung an eine erlebnisreiche und zugleich lehrreiche Ferienzeit mitzugeben.

Akademie für Lerncoaching
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