Gastbeiträge zu "ADHS/Lernstörungen"

Selbst-Fürsorge für Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen

Ulrike Légé aus Basel erzählt: 

„Wer ist eigentlich diese Frau – und warum sieht sie so furchtbar erschöpft und abgespannt aus?“, fragte ich mich neulich abends im Badezimmer, beim Blick aufs eigene Spiegelbild. Es waren keine besonderen Tage oder Wochen vorausgegangen. Nur ein bisschen mehr Stress: Die Rückrufbitte vom Lehrer unserer Tochter. Das Physikbuch, was unser Sohn kurz vor der Prüfung verloren hatte. Unser Ersatzschlüssel, der nicht zu finden war. Mein Mann, der gerade bis in die Nacht arbeiten musste …
Aber das bisschen reichte, um meinen mühsam ausbalancierten Alltag ins Kippen zu bringen. Mein Fass zum Überlaufen und meine Tränen zum Fließen: Merkt denn eigentlich niemand, wieviel ich hier gerade bewältigen muss?! Keine Zeit für mich habe? Schule anrufen, Ordnungs-Strategien neu besprechen und Physik-Buch nachbestellen, zum Schlüsseldienst fahren, Papas Aufgaben noch mitübernehmen. Job und Haushalt, Schule und Alltag mit verträumten Kindern rund um die Uhr managen.
Das ist verflixt viel. Ich möchte meinen Kindern und ihren besonderen Bedürfnissen sicher nicht die Schuld an meiner Erschöpfung geben. Aber klar ist, in einigen Momenten braucht es deutlich mehr, damit alles halbwegs rund läuft bei uns: Mehr Kraft, mehr Geduld, mehr Unterstützung. Und nein, da merkt niemand, wenn mir alles zu viel wird. Gut für mich sorgen, dafür muss ich selber sorgen.
Diese Schritte helfen mir dabei:

Hedonistische Inseln wiederentdecken

10 Mama nörgelt.jpg kleinEine „hedonistische Insel“, das hatte mir ein Coach einmal erklärt, ist etwas, worauf ich mich freue und das mir guttut, was ich fix im Tag einplane und aktiv gestalte. Zum Beispiel mein Hunde-Spaziergang jeden Morgen und mein Chai-Tee am Abend. Meine Yogastunde jeden Montag und die Sauna am Wochenende. Eine Ferienwoche ganz für mich, das Sommer-Wochenende mit Lieblings-Freundinnen.
Im hohen Wellengang vom Alltags-Stress müssen wir uns immer wieder auf diese Inseln retten können. Als Eltern verlieren wir uns oft im Dauereinsatz der Baby- und Kleinkind-Jahre und müssen unsere Inseln später aktiv wiederentdecken. Nachspüren, was uns wirklich gut tut – aber nicht uns selbst aufzwingen, was man in der Freizeit glaubt, noch tun zu müssen! Walken zum Beispiel tut mir immer gut, Joggen nicht mehr, wenn ich schon erschöpft bin. Was genau uns zum Strahlen bringt, ist für jeden anders.

Wichtige Inseln fest auf der inneren Landkarte verankern

Auf unsere Lieblings-Inseln müssen wir uns so gezielt begeben, wie ein Segler den Hafen anpeilt. Nicht darauf vertrauen, dass wir vielleicht irgendwann, irgendwo, irgendwie auf sie gespült werden. Denn schon das Vorausplanen und die Vorfreude geben uns Auftrieb: „Jetzt müssen wir noch dieses schwierige Gespräch beim Kinderarzt bewältigen – danach essen wir im Lieblings-Restaurant!“
Unsere wichtigsten Inseln sollten fest in der Planung unserer Tage, Wochen und Jahre verankert sein. Wir tragen sie mit der Lieblings-Farbe in den Familien-Kalender ein – und da stehen die Aktivitäten dann, unverhandelbar. Flexibilität hilft im Alltag – aber aufgeschoben wird nur im Notfall, dauerhaft aufgehoben gar nicht. Für sich sorgen, zu sich kommen und auftanken ist wichtiger als der Wochenputz!

Auf jeder Insel das aktive Gestalten genießen

So wie wir uns am Strand richtig schön einrichten, hier eine Sandburg bauen, da den Sonnenschirm verrücken, gestalten wir unsere Zeit für uns. Entspannen ist immer auch ein aktiver Vorgang, nicht etwas, das einfach passiert, wenn wir uns aufs Sofa plumpsen und da berieseln lassen. Auch dem reinen Müßiggang, der uns so gut tut, geht eine klare Entscheidung voraus: „Ich will mir hier und jetzt die Zeit nehmen, aus dem Fenster zu schauen und zu träumen – und solange es nicht brennt, tue ich das!“
Aktiv und kreativ zu werden sind besonders schöne Wege zur Entspannung. Es lohnt sich, einmal mit den eigenen Eltern zu sprechen oder in Alben zu schauen, was wir als Kinder gern gemacht haben: Schwimmen, Hütten bauen im Wald oder zum Pony auf die Weide gehen? Wasserfarben malen, Makramee oder Theater spielen? Auch als Erwachsene können wir das spielerisch wie Kinder angehen; nicht jede Handarbeit muss Pinterest-würdig sein, nicht jede sportliche Leistung einen Pokal bringen.

Die Kinder mitnehmen auf einige Inseln

Als Eltern können wir lernen, mit Kindern zu entspannen und aufzutanken – nicht trotz K8 Werkstatt kleinindern. Denn sie haben sehr ähnliche Bedürfnisse wie wir: Sich zu bewegen tut ihnen gut und raus in die Natur zu gehen. In der Stille schöpfen sie Kraft, beim Gestalten sind sie ganz bei sich. Ein schönes, geordnetes Zuhause und verlässliche Rituale erden sie. Ein paar bunte Fluchten aus dem Alltag, außergewöhnliche Ausnahmen geben ihnen Leichtigkeit.
Kinder spüren gut, ob wir Eltern nur unsere Alltagspflichten abspulen – oder gerade etwas tun, das uns so richtig in einen Flow kommen lässt, bei dem wir ganz bei uns sind. Es ist eine wichtige Erfahrung für sie, dass dies offensichtlich zum Erwachsenen-Leben auch dazu gehört! Einige Inseln möchten wir vielleicht ganz bewusst ohne Kinder genießen und das ist in Ordnung. Bei anderen lohnt es sich zu schauen: Wie passen wir diese Aktivitäten so an, dass wir sie entspannt zusammen erleben können?

Verantwortung übernehmen für die Insel-Besuche

Meistens fängt es so gut an: Wir nehmen uns morgens Zeit fürs Stretching und abends zum Tagebuch schreiben. Wir gehen Montag zum Yoga und wollten eigentlich Samstag zur Sauna … und dann trotzt ein Kind, das Auto streikt und die Klassenlehrerin besteht auf dem Krisen-Gespräch. Plötzlich schaffen wir es nicht mehr, unsere schönen geplanten Inselbesuche aufrechtzuerhalten und werfen das allen anderen vor: Wenn die Kinder bloß nicht so anstrengend, das Auto nicht so alt, die Lehrerin so verbohrt wäre …

Stop! Die Verantwortung, dass wir es trotzdem auf unsere Inseln schaffen, liegt bei uns. Die Freiheit und den Mut dazu müssen wir uns immer wieder nehmen. Vielleicht herrscht gerade Flaute und wir kommen kaum voran, vielleicht nehmen wir uns zu viel vor und kentern. Vielleicht müssen wir manchmal Ballast abwerfen oder lernen, mit mehr Kraft an widerspenstigen Tauen zu ziehen. Aber wir sollten hartnäckig immer wieder in unser Boot steigen und lossegeln. Richtung Insel!

Ich denke, für alle Eltern, aber ganz besonders für all diejenigen, deren Kinder besondere Bedürfnisse haben, hibbeliger sind oder verträumter, verschlossener oder explosiver, ist es wichtig, nicht nur vage von der Insel zu träumen. Sondern wirklich die eigenen Inseln immer wieder ganz bewusst anzusteuern.
Denn es liegt noch eine ziemliche Strecke, ein großer Ozean an gemeinsamen Jahren vor uns. Und für die sollten wir uns wie verantwortungsvolle Kapitäne, nicht wie ausgelaugte Schiffsbrüchige fühlen. Wenn wir abends in den Spiegel schauen und denken: „Es war heute – zumindest streckenweise! – ein schöner Törn. Ich werde auch morgen die anstrengenden Manöver hinkriegen und ich weiß, ich kann auf meinen Inseln wieder auftanken“, dann sind wir auf einem guten Kurs.

Über die Autorin: 

Ulrike Légé hat sich als freie Autorin und Journalistin auf Familien-Themen spezialisiert. Ursprünglich Naturwissenschaftlerin analysiert sie die Welt gern mit ihrem Kopf – aber seit sie Mutter geworden ist, merkt sie, wie schön es ist, auch ihrem Bauchgefühl nachzuspüren. Lesen und Schreiben hat Ulrike schon als Kind geliebt: Oft hat sie den Lido von Ascona verlassen, um lieber im Ohrensessel der alten Buchhandlung „Libreria al Puntel“ zu sitzen und zu träumen ... Mittlerweile hat Ulrike drei eigene Kinder, die 10, 12 und 15 Jahre alt und teilweise auch recht verträumt sind. Sie lebt in Therwil BL mit ihrem Mann und Labradoodle Sunny, der dafür sorgt, dass alle den Ohrensessel oft genug verlassen. 

Buchtipp "Lotte, träumst du schon wieder?"

0 3d Cover Lotte definitiv

Hasenmädchen Lotte hat es nicht leicht: „Trödel nicht rum!“ heißt es ständig, und: „Hör auf zu träumen“. Nie kann es die Zehnjährige ihren Eltern und der strengen Lehrerin Frau Luchs recht machen. Wenn es Lotte zu viel wird, driftet sie in ihre Traumwelt ab. Dort erlebt sie Abenteuer als mutige Piratin und kämpft gegen eine Widersacherin (die ihrer Lehrerin verblüffend ähnlich sieht).

Zum Glück stehen ihr ihre besten Freundinnen zur Seite, die fleißige und etwas ängstliche Ente Merle und die gemütliche Bärin Frieda, die so gerne Ballerina wäre.

Lotte droht an endlosen Hausaufgaben, Prüfungen, schlechten Noten und ihrer Vergesslichkeit zu verzweifeln. Doch dann trifft sie im verlassenen Wald auf eine seltsame Waldbewohnerin, die den Wert des Träumens kennt und sie in ein uraltes Geheimnis einweiht...

Ein Lese-und Vorlesebuch für verträumte Grundschulkinder und ihre Eltern.

Jetzt bestellen in Ihrer Lieblingsbuchhandlung oder online (mit einem Klick auf den Anbieter gelangen Sie direkt zur Bestellmöglichkeit):

Schweiz: Orell FüssliLüthy, Balmer und StockerExlibrisWeltbild

Deutschland und Österreich: ThaliaAmazon

Begleite Lotte und ihre Freundinnen auf ihrem zweiten Abenteuer!

"Eine Geschichte über die kleinen und großen Fragen des Lebens, über den Mut, zu sich selbst zu stehen und die verwandelnde Kraft der Freundschaft."

Jetzt bestellen in Ihrer Lieblingsbuchhandlung oder online!

Cover Jaron 1 jpeg

Akademie für Lerncoaching
Albulastrasse 57
8048 Zürich

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!