Vorurteil 4: „Eltern, die ihr Kind mit Ritalin & Co behandeln lassen, gehen leichtfertig mit Nebenwirkungen und Medikamentenabhängigkeit um.“
Bei einer medikamentösen Behandlung der ADS / ADHS ist es wichtig, über Nebenwirkungen informiert zu sein, um ein „Experte“ für das Wohlbefinden des Kindes werden zu können und bei Bedarf die betreffende Fachperson kontaktieren zu können.
Am häufigsten kommen Durchschlafprobleme und Appetitverminderung vor. Stark ausgeprägt sind diese vor allem dann, wenn die Kinder die Medikamente nicht nur vormittags zu Verbesserung der Konzentration in der Schule, sondern auch nachmittags einnehmen. Bauch- und Kopfschmerzen sind ebenfalls bekannt. Unwillkürliche Zuckungen oder Lautäußerungen, sogenannte Tics, kommen in 1-2 % der Fälle als Folge der medikamentösen Behandlung auf. Bereits bestehende Tics können sich durch die Medikation verschlimmern – es sollte daher unbedingt darauf verzichtet werden, das Medikament an Kinder abzugeben, die bereits Tics zeigen. Weinerlichkeit und traurige Verstimmtheit und vermehrte Ängstlickeit können auftreten, häufig sind sie Ausdruck einer zu hohen Dosierung des Medikaments, auch eine erhöhte Reizbarkeit wird teilweise beobachtet. Eine Blutdruckerhöhung kann eine Begleiterscheinung der Behandlung mit Psychostimulanzien sein. Schläfrigkeit, Benommenheit und Schwindel werden immer wieder als Nebenwirkung berichtet ebenso wie verschwommenes Sehen, Atemprobleme und Hautausschlag. Die in der Öffentlichkeit immer wieder diskutierten Wachstumsverzögerungen, wurden in früheren Studien vor allem für die Langzeitbehandlung mit Psychostimulanzien vermutet. Diese Vermutung konnte in neueren gut kontrollierten Studien zum Teil bestätigt, zum Teil widerlegt werden. Aktuelle Forschungsergebnisse weisen zudem darauf hin, dass die Stimulanzienbehandlung die Knochendichte negativ beeinflussen kann.
Bei Kindern mit epileptischen Anfällen sollte eine medikamentöse Therapie der Verhaltensauffälligkeiten genau abgewägt werden. Die Forschung zeigt, dass Anfälle durch die Medikation ausgelöst werden können, andererseits gibt es auch Studien, die belegen, dass sich die Anzahl der Anfälle bei epileptischen Kindern durch die Behandlung mit Psychostimulanzien sogar verminderte.
In den Beipackzetteln sind als Warnhinweise zudem plötzliche Todesfälle, Schlaganfälle und Myokardinfarkt sowie das Risiko von Missbrauch und Abhängigkeit aufgeführt. Auch psychotische Störungen können sich bei Kindern und Jugendlichen unter der Gabe von Stimulanzien verschlimmern.
Ob Methylphenidat, Lisdexamfetamin & Co körperlich abhängig machen, wird auch in Forschungskreisen hitzig diskutiert. Bedenken gehen auch in die Richtung einer psychischen Abhängigkeit, betreffen also die Frage, ob Kinder eher zu Medikamenten oder Drogen greifen, wenn sie seit frühester Kindheit erfahren, dass sich Schwierigkeiten mit Tabletten & Co. lösen oder verbessern lassen. Bisherige Studien konnten diese Befürchtungen nicht bestätigen, zeigten teilweise sogar, dass sich das Risiko für eine Suchtentwicklung durch eine gezielte Behandlung der Kernsymptome vermindern ließ. Eine Dosissteigerung zur Erhaltung der Wirkung der Medikamente ist in der Regel nicht notwendig bis das Kind wächst und an Gewicht zunimmt.