Bewegtes Lernen
Ein spannendes Konzept, das sowohl bewegungsfreudigen Kindern als auch Sportmuffeln einen neuen Zugang zum Lernen verschaffen kann und die Lernmotivation nachweislich steigert.
Viele Lehrkräfte sind der Meinung, dass Kinder die Hausaufgaben am Schreibtisch erledigen sollten. Auch glauben viele Eltern, dass das ruhige Sitzen die Voraussetzung dafür ist, dass ein Kind sich konzentrieren kann. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass Kinder in der Schule „schließlich auch 6 Schulstunden still sitzen sollen“ und „dass das schon seinen Grund habe“. Sehen wir uns diesen Grund einmal genauer an. In einer durchschnittlichen Schulklasse sitzen je nach Schulform 12- 30 Schülerinnen und Schüler. Die Stillarbeit, die vorgeschriebenen Sitzplätze und der Frontalunterricht ist die Voraussetzung dafür, dass sich alle Schüler möglichst gut konzentrieren können und sich nicht gegenseitig ablenken. Für sehr junge oder hyperaktive Kinder sind diese Vorgaben jedoch häufig schwer auszuhalten. Und die Forschung gibt diesen Kindern recht: Ruhig am Platz zu sitzen geht genauso wenig mit Konzentration einher wie Bewegung mit Unkonzentriertheit., so der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ralf Laging. Eine Vielzahl an Studien zeigt, dass Bewegung der Konzentrationsfähigkeit zuträglich ist, da sie unter anderem die Durchblutung des Gehirns fördert.
Bewegtes Lernen kann Kindern helfen, einen neuen Zugang zu Lerninhalten zu gewinnen und die Motivation zu erhöhen. Ein positiver Nebeneffekt, den sich Eltern zunutze machen können, wenn Kinder lustlos sind oder Widerstand zeigen. Denn ein Kind, welches nach einem sechsstündigen Schultag noch einmal still sitzen muss, um das 1x1 zu üben wird wahrscheinlich weniger bereit sein, sich auf das zusätzliche Lernen einzulassen als ein Kind, das sich währenddessen bewegen darf und das 1x1 so spielerischer lernt.
„Bewegtes Lernen- Wie soll das denn gehen?“
Vielleicht fragen Sie sich, liebe Eltern, wie bewegtes Lernen aussehen soll und was wir unter diesem Begriff genau verstehen. Das Konzept „Lernen in Bewegung“ stammt von Eduard Buser-Batzli, einem Primarschullehrer, der dafür 2009 den Comenius Bildungspreis erhielt. In seinen DVDs sieht man Schülerinnen und Schüler, die nach einem Basis- Gleichgewichtstraining in Klassenzimmern jonglieren, über Schwebebalken balancieren oder Pedalo fahren- ein Bild, das auf den ersten Blick etwas unkonventionell erscheinen mag. Und doch gibt es einige Anregungen, die wir in den Alltag mit Kindern aufnehmen können, wenn wir die Lernsituation gestalten.:
Bewegungen in die Lernsituation einbinden könnte z.B. heissen, dass Sie und Ihr Kind:
- Das Einmaleins auf dem Trampolin abhören
- Einen Parcours durch die Wohnung legen und nach jeder Runde 3 Wörter ins Reine schreiben
- Auf einem Hometrainer-Fahrrad das Lesen üben
- Wörter auf dem Pedalo buchstabieren
- Einen Ball hin- und- her werfen und dabei französisch Vokabeln abfragen
- Bei einem Spaziergang über ein Thema diskutieren
- Auf einem Bein durch das Zimmer hüpfen und dabei Fragen beantworten
- Sich beim Ping-Pong- Spielen in einer Fremdsprache unterhalten
Die meisten Kinder freuen sich über den „neuen Wind“ beim Lernen und sind für die meisten der „Bewegungsvorschläge“ offen. Besonders motiviert arbeiten sie mit, wenn sie selbst auswählen dürfen, welche Art der Bewegung sie in die jeweilige Lerneinheit einbauen möchten. Für Kinder, die von Natur aus einen grösseren Bewegungsdrang haben, kann das bewegte Lernen für Eltern und Kind eine Entlastung bringen. Vom zusätzlichen Training profitieren aber auch Kinder, die motorische Rückstände aufweisen.
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Bewegung als Pausengestalter einzusetzen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Aufgabe (z.B. Rechnungen schriftlich durchführen) nicht direkt in Bewegung ausgeführt werden kann. Es empfiehlt sich, mit Ihrem Kind vorab Zwischenetappen zu vereinbaren, damit die Bewegungseinheit gleichzeitig als Belohnung dienen kann, z.B. „Wenn du die Hälfte des Rechenblattes gelöst hast, darfst du 5 Minuten aufs Trampolin“.
Egal ob während des Lernens oder als Pausengestalter, bewegtes Lernen hat meist ein spielerisches Element. Daher wirkt es sich nicht nur positiv auf die Lernmotivation und die Effektivität des Lernens aus, sondern auch auf die Gefühle, die mit dem Lernen verknüpft werden. Kinder, die in einem Fach Mühe haben, empfinden die 1x1 Abfrage auf dem Trampolin vielleicht als weniger „prüfend und ernst“, Schüler, die schlecht lesen finden durch die zusätzliche Bewegung vielleicht einen anderen Zugang, weil sie die Erfahrung machen „Die Rechenübungen sind nicht immer langweilig“ oder „das Lesen (auf dem Heimtrainer-Fahrrad) kann auch Spass machen“. Erfahrungen wir diese sind wertvoll, denn sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch bei der nächsten Lerneinheit wieder bereitwilliger mitmacht.
Wie könnte bewegtes Lernen bei Ihnen zu Hause aussehen? Vielleicht finden Sie auf der Seite von Herrn Buser- Batzli noch weitere Anregungen: