Lernplanung

Lernpläne richtig gestalten

Zur Vorbereitung auf grosse Prüfungen ist ein Lernplan eine wichtige Hilfe...

 "Ziele sind Träume, die wir in Pläne umsetzen. Dann schreiten wir zur Tat, um sie zu erfüllen." (Zig Ziglar)

Insbesondere vor umfangreichen und zahlreichen Prüfungen wie der Matura/Abitur, den Lehrabschlussprüfungen oder den Prüfungssessionen im Studium greifen Schüler und Studentinnen häufig zum Lernplan. Mit der Angst im Nacken, den Stoff nicht rechtzeitig zu bewältigen oder den Überblick zu verlieren werden eifrig Themen eingeteilt und stundenlange Lernmarathons eingetragen, die spätestens nach einer Woche verworfen werden, weil man dem gerade erst erstellten Plan hinterherhinkt. Zurück bleiben Ärger, Demotivation, machmal auch der Wunsch nach einem neuen, besseren Lernplan. Doch wie sollte so ein „besserer Lernplan“ aussehen? Auf welche Punkte sollten Schüler und Schülerinnen, Studenten und Studentinnen dabei achten? Dieser Frage will ich in der heutigen Lektion nachgehen.

Wenn Sie, liebe Eltern, häufig das Gefühl haben, dass Ihr Sohn bzw. Ihre Tochter Schwierigkeiten hat, den Stoff richtig einzuteilen, oder wenn einer Ihrer Schüler, liebe Lehrkräfte, bis zur Prüfung selten das vorgegebene Lernziel erreicht oder gar nicht richtig weiss, wo er/sie anfangen soll, können Sie folgende Tipps als Anregung weitergeben. Dabei könnten Sie beispielsweise einsteigen, indem Sie auf die Vorteile eines Lernplanes verweisen:

Ein guter Lernplan...

  • ...hilft dir, früh genug anzufangen
  • ...gibt dir Auskunft darüber, was du als nächstes zu tun hast
  • ... zeigt dir, wo du stehst und was du bereits geschafft hast
  • ...stellt sicher, dass das Wichtigste zuerst gelernt wird
  • ...gibt das gute Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. So motiviert er und macht Mut

Viele Schüler und Studenten beginnen gleich mit dem Lernen ohne vorher zu überlegen wie genau geprüft wird. Daher gibt es immer wieder Schüler, die verhältnismässig wenig Zeit in die Vorbereitung stecken und gute Noten schreiben und Schüler, die sehr viel lernen und ein verhältnismässig unbefriedigendes Ergebnis dafür erzielen. Wenn wir in Lernberatungen Schüler fragen, wie sie sich vorbereitet haben, sehen wir immer wieder den gleichen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen:

Die Schüler, die mit wenig Aufwand ein gutes Resultat erzielen, haben sich vorher eingehend mit der Frage befasst, wie geprüft wird. Sie haben sich alte Prüfungen besorgt, sich Gedanken dazu gemacht, welche Inhalte besonders wichtig sind, was im Unterricht betont wurde und haben sich darauf konzentriert, das Wichtigste zuerst zu lernen.

Die anderen Schüler, die mit viel Aufwand schlechte Ergebnisse erzielen, haben oft das Gefühl, dass alles wichtig sei und sie jedes Detail wissen müssen. Bei grösseren Prüfungen fehlt ihnen dann die Zeit dazu. Sie wissen dann am Ende viel, aber nicht das Richtige.

Beispiel:

Sandra und Helmut müssen sich auf die Deutschmatura/ -abitur vorbereiten. Beide müssen dazu in der Lage sein, Fragen zu fünf Büchern zu beantworten. Helmut will sich zunächst ein gutes Basiswissen erarbeiten. Dazu leiht er sich in der Bibliothek eine Interpretationshilfe zum ersten Buch „Nathan der Weise“ aus (Sie finden unter dem Stichwort "Interpretationshilfe" und dem jeweiligen Buchtitel zu praktisch allen Klassikern solche Schülerhilfen). Durch die Interpretationshilfe weiss er, dass die Ringparabel die zentrale Stelle des Buches ist und wie man sie interpretiert. Er findet in der Schülerhilfe auch Beschreibungen zu den wichtigsten Charakteren und eine Zusammenfassung der Handlung. Da die Prüfung mündlich ist und Helmut weiss, dass er die Antworten gerne fliessend erzählen können möchte, bereitet er sich auf die Prüfung vor, indem er sich selbst typische Lehrerfragen stellt und diese mündlich beantwortet. Nach 10 Stunden ist er in der Lage, die wichtigsten Inhalte gut formuliert wiederzugeben. Schliesslich bleibt ihm genügend Zeit, das Buch noch im Original zu lesen. Aufgrund seiner Vorbereitung kann er beim Lesen besondere Aufmerksamkeit auf die Schlüsselstellen legen, die er aufgrund seiner Vorbereitung wiedererkennt.

Sandra beginnt gleich mit dem Originaltext „Nathan der Weise“. Sie liest das ganze Buch einmal durch, merkt dann aber, dass sie sich aufgrund der ungewohnten Sprache nicht viel merken konnte. Sie liest das Buch ein zweites Mal und schreibt eine Zusammenfassung.

An der Prüfung legt die Lehrerin beiden einen Ausschnitt aus der Ringparabel vor und bittet sie diese Textstelle zu interpretieren und in den Gesamtkontext einzuordnen. Helmut glänzt mit seinem vobereiteten „Referat“. Sabrina ist diese Stelle gar nicht als bedeutsam aufgefallen, sie hat zudem grosse Schwierigkeiten mit der mündlichen Wiedergabe. Schliesslich hat sie sich auch nicht mündlich darauf vobereitet. Sie ist sehr enttäuscht über ihre genügende, aber nicht glänzende Note.

Helmut hat sich die folgenden Fragen gestellt:

  • Was muss ich genau wissen?
  • In welcher Form muss ich mein Wissen wiedergeben können?
  • Wie kann ich mich effektiv vorbereiten?

Helmut hat zudem verstanden, dass die meisten Prüfungen einem gewissen Aufbau folgen. Er ist sich darüber bewusst, dass es für jedes Themengebiet jeweils Inhalte gibt, die sehr wichtig sind- und daher bei fast jeder Prüfung zu diesem Thema abgefragt werden. Zudem gibt es eine Reihe von Inhalten, die ebenfalls wichtig sind und in Prüfungen häufig wiedergegeben werden müssen. Dazu gibt es eine ganze Menge "Füllwissen", darunter versteht man Zusatzinformationen, die nicht zentral sind, um die Prüfung zu bestehen- sie halten eher für Vertiefungsfragen als "Sechserbremse" her. Die folgende Grafik veranschaulicht diesen Aufbau:

Wissenskuchen Planung

Für eine Deutschinterpretation könnte der Wissenskuchen beispielsweise folgendermassen aussehen (je nach Lehrkraft und Schulart kann diese Aufteilung variieren):

Sehr wichtige Themen: Schlüsselstellen interpretieren, Hauptpersonen charakterisieren, Rahmenhandlung kennen

Wichtige Themen: Buch in geschichtlichen Kontext einordnen

Füllwissen: Leben des Autor

Der Wissenskuchen dient als Basis zur Lernplanung:

1. Schritt: Vorbereiten

Um herauszufinden, welche Themen besonders wichtig sind...

  • Sieh dir die Lernziele an, die die Lehrkraft ausgegeben hat
  • Schreibe wichtige Aspekte in der letzten Wiederholungsstunde vor der Prüfung mit - die Lehrkräfte geben in dieser Stunde meist Hinweise, was ihnen besonders wichtig ist
  • Achte darauf, welche Themen die Lehrperson während den Stunden besonders betont 
  • Frage ältere Schüler/Studenten, die die Prüfung bereits hinter sich haben
  • Schaue dir alte Prüfungen an, sofern du diese auftreiben konntest - sie sind der allerbeste Weg, um zu ermitteln, was wichtig ist

Auf diese Weise ermittelst du, welche Themen wichtig bzw. weniger wichtig sind. Schreibe nun alle Themen der Prüfung auf Kärtchen (du kannst als Vorlage die Überschriften in deinem Heft oder Schulbuch benutzen). Bilde nun 3 Kartenstapel mit unterschiedlich wichtigen Themen: 

Sehr wichtige Themen                 wichtige Themen                               Zusatzwissen

 immer abgefragt                          häufig abgefragt                            selten abgefragt

Beim Lernen solltest du darauf achten, dass du sicher genügend Zeit hast, um die sehr wichtigen Themen oder Fragen zu lernen und dir wenn möglich noch die wichtigen Themen anzuschauen. Wende dich den Kärtchen mit dem Zusatzwissen erst dann zu, wenn die wichtigen Themen sitzen. 

2.      Zeitkontigent ermitteln

  • Schreibe auf, wieviele Tage noch bis zur Prüfung bleiben
  • Notiere, welche Zeit wegfällt (z.B. durch Schule, Sportaktivitäten, feste Verabredungen, Erledigungen...)
  • Überlege dir, an welchen Tagen dringend Zeit für Freunde, Partner, Freizeitaktivitäten benötigt wird
  • Ziehe von den Tagen, die dir noch bis zur Prüfung bleiben, die Zeit ab, die du mit den oben genannten Aktivitäten verbringst
  • Streiche diese Stunden aus dem „Lernkalender“ 
  • Ziehe pro Woche (wenn möglich) einen „Puffertag“ ab
  • Ermittle so die Zeit, die dir effektiv zum Lernen bleibt

Viele Schüler arbeiten hierzu gerne mit einem Wochenplan, aus dem sie schulische Aktivitäten, Freizeitplanungen und die "Aktivzeit / Lernzeit" ablesen können:

3.     Planen

  • Plane je nach Stoffumfang circa 20% der verfügbaren Lernzeit zum Wiederholen ein
  • Teile die Anzahl der Kärtchen auf die einzelnen Tage der verbleibenden Lernzeit auf. Achte darauf, dass du mit den wichtigsten Themen beginnst und dich zu den weniger wichtigen vorarbeitest
  • Schreibe auf, wieviele Themen pro verfügbarer Lerneinheit/Tag bearbeitet werden müssen

4.     Umsetzen

  • Beginne mit dem Stapel „sehr wichtige Themen“ 
  • Entscheide an jedem Tag, welche Themen du heute anpacken möchtest. Wenn du Mühe hast, anzufangen, solltest du mit den interessantesten Themen beginnen. Wenn dann der Druck grösser wird, ist es leichter, die weniger interessanten Dinge zu lernen
  • Schau zu, wie der Stapel kleiner wird
  • Wiederhole vor/nach jeder Lerneinheit das vorher gelernte Thema 
  • Wenn du alle sehr wichtigen Themen gelernt hast, kannst du zum Stapel „wichtige Themen“ übergehen u.s.w.
  • Nutze deine „Puffertage“ für Themen, die mehr Zeit benötigen als vorgesehen
  • Nutze „Puffertage“ für Freizeit, wenn die Anzahl an Kärtchen für die Woche geschafft wurde

„Pufferzeit“ sollte dringend in den Lernplan aufgenommen werden. Sie erlaubt dir flexibel zu bleiben, unvorhergesehe Besuche, Krankheitstage o.ä. mit dem Lernen zu vereinbaren, ohne den Plan komplett umzuwerfen. Die klaren Prioritäten helfen dir dabei, nicht in Stress zu geraten. Angenommen du hast alle Kärtchen auf die Lernzeit verteilt, hattest jedoch nur Zeit, die ersten beiden Stapel mit den sehr wichtigen und den wichtigen Themen zu lernen, weisst du trotzdem, dass du die wichtigen Dinge kannst und sicher eine genügende Note einfahren wirst.

In unseren Trainings haben viele Jugendliche diese Form der Planung als äusserst sinnvoll empfunden. Die Integration von Zeit- und Prioritätenplanung macht die Pläne robust gegen Planungsfehler. Die meisten Jugendlichen (und Erwachsenen) können kaum einschätzen, wie lange sie für eine bestimmte Aufgabe brauchen oder wieviel Zeit innerhalb eines Monats wirklich für eine Aufgabe wirklich zur Verfügung steht. Durch die klare Marschrichtung von den sehr wichtigen zu den weniger wichtigen Themen weiss der Schüler dennoch, dass er - auch wenn er nicht so schnell vorankommt wie geplant - auf dem richtigen Weg ist. 

Hinweis: Planungskompetenzen sind heute wichtiger denn je. Schon in der Primarschule wird erwartet, dass Kinder mit Wochenplänen umgehen können und sich ihre Aufgaben selbständig einteilen. Diese Fähigkeit lässt sich lernen! In unserem Buch "Clever lernen" für Schüler/innen von 12 bis 15 Jahren zeigen wir, wie man sich die Zeit richtig einteilt und sich effektiv auf Prüfungen vorbereitet:

Autorin dieses Artikels: Stefanie Rietzler

Stefanie Rietzler ist Psychologin und leitet die Akademie für Lerncoaching gemeinsam mit ihrem Kollegen Fabian Grolimund.

Akademie für Lerncoaching
Albulastrasse 57
8048 Zürich

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