Neurofeedback – das Krafttraining fürs Gehirn
Interview mit Elena Arici zum Thema Neurofeedback
Frau Arici, was ist Neurofeedback?
Neurofeedback ist ein computergestütztes Hirnwellentraining, bei dem es darum geht, eine verbesserte Hirnleistung zu erzielen. Das kann für den einen Klienten bedeuten weniger Stresswellen zu produzieren, während es für den anderen darum geht, den Stand-By Modus des Gehirns zu verlassen und aktiver zu werden.
Das Training dient zur Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer und Entspannung, und ist eine wissenschaftlich anerkannte Methode, zur
- Förderung der Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernmotivation bei AD(H)S,
- Förderung der Impulskontrolle bei Aggressivität/Wutanfällen und Zappeligkeit
- Überwindung von Prüfungsängsten und Schlafstörungen
- Unterstützung bei Spracherwerbsstörungen, Legasthenie und Dyskalkulie
- Beseitigung von Tics und Zwängen sowie stressbedingten Problemen
Klientin steuert den Film mit ihren Hirnwellen
Wie kann man sich eine Neurofeedback-Sitzung vorstellen?
Dem Kind werden an verschiedenen Stellen an der Kopfhaut Elektroden montiert. Während der Ableitung der Gehirnströme schaut es einen DVD und steuert mit seinen Hirnwellen den Fortgang des Films. Wenn das Kind optimale Wellenrhythmen produziert (z.B. viele Wachwellen), läuft der gezeigte Film ohne Unterbruch. Hat das Kind jedoch zu viele störende Wellen (z.B. Schlaf- oder Stresswellen), stockt der Film. Das Gehirn des Kindes lernt durch diese Stopps sehr schnell, passende Hirnwellenmuster hervorzurufen, und diejenigen, die ein Stocken des Films verursachen zu vermeiden, da es den Film lieber ohne Unterbruch sehen möchte.
Die neuen Hirnwellenmuster werden über eine Rückmeldungsschlaufe gelernt (Film läuft = Belohnung, Film stockt = etwas muss noch verändert werden). Es fliesst dabei kein Strom ins Gehirn hinein, der Klient steuert sein Verhalten allein über die Rückmeldung des Films.
Verschiedene Studien belegen die nachhaltige Normalisierung der Gehirnaktivität bei ADHS:
Die Aufmerksamkeit verbessert sich, Hyperaktivität und Impulsivität nehmen signifikant ab. Die Verbesserung des Lern- und Sozialverhaltens wirken sich zudem positiv auf den Selbstwert des Kindes aus. Die Studien belegen ausserdem, dass auch ein halbes Jahr nach Abschluss des Trainings die Kinder weiterhin stabil in ihrer Konzentrationsfähigkeit und Impulskontrolle sind, während bei der Kontrollgruppe bei Absetzen von Ritalin die ADHS Symptomatik wieder sichtbar ist.
Wie funktioniert Neurofeedback?
Bei einem Erstgespräch mit Eltern und Kind wird geklärt, welche Ziele erreicht werden möchten. Das Neurofeedbacktraining wird jeweils individuell auf den Trainierenden abgestimmt.
Vor dem Trainingsbeginn werden an 19 Punkten des Kopfes Hirnwellen abgeleitet. Daraus entsteht eine persönliche Gehirnlandkarte (Assessment oder QEEG), auf der die individuellen Hirnwellenmuster sichtbar werden. Dies ermöglicht, ganz gezielt auf den richtigen Hirnarealen des Klienten zu trainieren.
Brainmaps, aufgeteilt in die vierschiedenen Hirnfrequenzen. Je heller, desto mehr Aktivität in der spezifischen Frequenz. Obere Reihe = Schlafwellen, untere Reihe = Wachwellen.:
Wie oft sollte das Training durchgeführt werden?
30-40 Sitzungen über ein Jahr verteilt sind nötig, damit das Gelernte langfristig automatisiert werden kann.Zu Beginn wird einmal wöchentlich zwischen 35 Min. – 60 Min. trainiert, bis das Gehirn weiss, was es tun muss. Sobald der Trainingseffekt über eine Woche anhält, können die Trainings auch vierzehntägig oder monatlich abgehalten werden.
Was geschieht während einer Neurofeedback-Therapie?
Reorganisation
In den ersten 10 Sitzungen versucht das Gehirn herauszufinden, was von ihm verlangt wird. Es begreift, wie es lernen muss sich zu entspannen, sich zu konzentrieren oder wach zu werden. Zu Beginn ist häufig beobachtbar, dass sich die Grundrhythmen neu organisieren: Kinder mit Einschlafschwierigkeiten finden den Schlaf leichter und stehen am Morgen ausgeruhter auf. Analog ist ein Ausgleich in ihrer Stimmung beobachtbar.
Selbstregulation
Zwischen der 11.-20. Sitzung passt sich das zentrale Nervensystem an die neuen Gegebenheiten an. Das Gehirn reagiert effizienter und ausgeglichener auf Stress und auf Herausforderungen. Doch die neuen Hirnverbindungen sind noch nicht ganz gefestigt und müssen weiterhin trainiert werden. Eltern erzählen in dieser Phase oft von ihrem Kind, dass es weniger protestiert, wenn es aufgefordert wird eine Aufgabe zu erledigen, dass Wutanfälle kürzer ausfallen und die Stimmung des Kindes deutlich ausgeglichener ist. Ab diesem Zeitpunkt wird mit dem Kind zusammen unter dem Neurofeedback gelernt, damit sich die Hirnstrukturen optimal unter einer Aufgabenstellung verbinden und der Transfer in den Schulalltag gewährleistet ist.
Verfestigung und Integration
Das Gehirn hat sich bei regelmässigem Neurofeedbacktraining nach 20 Sitzungen strukturell verbessert. Die weiteren 20 Sitzungen sind nun nötig, um das Gelernte zu verfestigen und in den Alltag zu übertragen. Das Gehirn verschaltet sich nun anders, wenn eine Aufgabe oder ein Problem gelöst werden muss.
Ab welchem Alter profitieren Kinder von Neurofeedback?
Sowohl Kinder ab 5 Jahren als auch Jugendliche und Erwachsene erzielen eine Neuorganisation durch das Neurofeedback.
Übernimmt die Krankenkasse die Neurofeedback-Kosten?
Je nach Praxis ist dies unterschiedlich, ob die Zusatzversicherung die Leistung übernimmt. Am besten soll direkt bei der bevorzugten Praxis und Krankenkasse nachgefragt werden.
Über Elena Arici:
Elena M. Arici ist Psychologin (FSP) und leitet die Praxis LernWerk in Winterthur und Stäfa. Ihre drei Schwerpunktthemen sind Neurofeedback, Lerncoaching und Sozialkompetenztraining für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Seit 2003 ist sie Dozentin für Fachkräfte im Bereich Neurofeedback.
Ihre Weiterbildung in Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen hat sie in Deutschland bei Dr. Fritz Jansen absolviert.
Sie ist Mutter zweier Söhne.
Weitere Aus- und Weiterbildungen
- Weiterbildung in Emotioneller erster Hilfe (EEH) bei Th. Harms, Deutschland
- Weiterbildung Begabtenförderung am Confratute, bei Prof. J. Renzulli, USA
- Ausbildung zur Gruppenleiterin Sozialer Kompetenzen bei Prof. R. Hinsch, Berlin
- Diverse Weiterbildungen im Bereich Neurofeedback